Aleksander Kulisiewicz

(1918-1982)

Aleksander KulisiewiczAleksander war ein polnischer Journalist und Sänger, bekannt geworden als „Der Sänger aus der Hölle“. Er überlebte das KZ und widmete sein Leben der Verbreitung des Erlebten in Wort und Gesang.

Aleksander Kulisiewicz wuchs in Krakau auf. Seine Mutter Isabella war Musiklehrerin, spielte Piano und Geige. Nach dem frühen Tod der Mutter zog der siebenjährige Junge mit seinem Vater, einem Gymnasiallehrer, in das damals schlesische Karwin.

Nach dem Abitur schloss sich Aleksander einem Studentenensemble an und unternahm Tourneen. Mit einem Zirkus kam er bis nach Wien. Im besetzten Polen studierte er später Jura und verdiente etwas Geld als Journalist. Zu dieser Zeit war er Mitglied des Polnischen Demokratischen Jugendbundes (ZMPD). Als Reaktion auf einen Artikel von ihm mit dem Titel „Heil Butter! – Genug  Hitler!“ wurde er 1939, 21-jährig, verhaftet und 1940 in das KZ Sachsenhauen verschleppt. Schnell wurde er dort als Sänger bekannt und schloss sich dem ebenfalls inhaftierten Rosebery d´Arguto an. Wegen seines guten Gedächtnisses vertrauten ihm zahlreiche Mithäftlinge ihre ureigenen und persönlichen Lieder an, die Aleksander auswendig lernte. Er selbst schrieb 50 Lagerlieder sowie 130 Gedichte und vertonte dreizehn Texte anderer Autoren.

Er überlebte die Haft und begann nach der Befreiung 1945, alle diese Lieder zu dokumentieren. Dazu diktierte er im Krankenhaus von Krakau seiner Krankenschwester 716 Seiten Liedgut in vier Sprachen.

Nach dem Krieg konnte sich Aleksander als Interpret von KZ-Liedern („Der Sänger aus der Hölle“) international einen Namen machen. Seine Darbietung zielte darauf ab, die Lieder nicht zu glätten und gesanglich möglichst dem anzunähern, wie sie (oft unter Lebensgefahr) in den Lagerbaracken gesungen wurden: mit brüchiger Stimme, ohne Rücksicht auf Wohllaut und Harmonie. Hinzu kam, dass Kulisiewicz in KZ Uniform auf der Bühne erschien. Der Liedermacher Hans Dieter Hüsch sagte über ihn:

„Nun stand er vor uns. Und man hatte das Gefühl, was wir da so machen, das ist ein ziemlich dürftiges Kunstgewerbe mit dem Anspruch einer ungeheuren Aussage. Dieser Mann aber – da ging es nicht mehr um Kunst, auch nicht mehr um Aussage, da wurde plötzlich etwas sichtbar: das, wogegen wir schreiben und singen, hatte dieser Mann mit allen Qualen schon hinter sich.“

Seine Auftritte bewegten das Publikum. So konnten wenigstens einige seiner ermordeten Mithäftlinge durch die Erinnerung an ihre Lieder weiter leben. Bekannt wurde vor allem der Jüdische Todessang (1942) des 1943 in Auschwitz ermordeten Rosebery d’Arguto. Auf Reisen durch Polen und in andere osteuropäische Länder führte er Gespräche mit Überlebenden und trug ein umfangreiches Archiv zusammen. Auf Mikrofilmen, 52.000 Metern Tonband und in 800 Mappen dokumentierte er die Entstehungsgeschichte von über 600 polnischen KZ-Liedern und 200 Liedern von Häftlingen anderer Nationen. Das Archiv enthält auch Skizzen, Aquarelle, Reproduktionen von Plastiken und Gedichte aus 21 verschiedenen Konzentrationslagern.

Seine ersten Auftritte in Westeuropa hatte er in Italien, im Theater von Bologna. Mit dem Liedermacher Peter Rohland trat er in München und Stuttgart auf. Konzertreisen führten ihn auch in USA. 1967 trat er auf dem Festival „Das engagierte Lied“ auf der Burg Waldeck auf. 1968 sang er auf den Internationalen Essener Songtagen. Im kommunistischen Polen fand er wenig Anerkennung. Erst kurz vor seinem Tod erschien in Polen eine Langspielplatte mit KZ-Liedern.
Er sagte oft von sich: „Die Nazizeit habe ich überlebt, aber das KZ habe ich nie verlassen.“ In seinem Buch „Adresse: Sachsenhausen“ gibt er berührende Einblicke, wie schwer es ihm fiel seine Wut und seinen Hass zu überwinden.

Werke:
•    Lieder aus der Hölle. Da Camera Song (LP) Heidelberg 1981.
•    Adresse: Sachsenhausen. Literarische Momentaufnahmen aus dem KZ. Claudia Westermann Hrsg. (1997)