Etty Hillesum

*15. Januar 1914, Middelburg; † 30. November 1943 KZ, Ausschwitz-Birkenau

etty_hillesumEtty Hillesum war eine holländische Lehrerin jüdischer Herkunft. Etty wuchs jedoch in einer säkularen Atmosphäre ohne jüdische Erziehung auf. Sie war eine junge, lebensbejahende und hochintelligente Frau. Ab 1932 studierte sie in Amsterdam Slavistik und später Jura. Im Jahr 1941 lernte sie den aus Deutschland geflohenen Psychologen Julius Spier kennen und lieben. Er war es, der Etty dazu riet ein Tagebuch zu schreiben, in dem sie die eigene seelische Entwicklung untersuchen könne. In diesem Werk beschrieb sie selbstanalytisch und gleichzeitig literarisch anspruchsvoll ihre Gefühle, Alltagserlebnisse und Denkstrukturen. Es sind eher Protokolle der Selbstbeobachtung, der Selbstbegleitung einer jungen, von einer großen inneren Unruhe getriebenen Frau auf der Suche nach dem “Eigentlichen”, dem Innersten, dem Sinn – auf der Suche nach Gott. Nicht dem Gott der Juden oder Christen, sondern nach dem Göttlichen an sich, dem Numinosen, nach dem, was erst zu erkennen ist, wenn alles an Ängsten, Befürchtungen, Zweifeln, an Hass und Wut in einem selbst beseitigt ist.Ihr Geliebter Julius Spier, der bereits gebunden war, wird darin mit dem Buchstaben S. erwähnt. Sie hatte außerdem einen gleichaltrigen Freund und lebte mit einem weitaus älteren Mann in eheähnlichen Verhältnissen.

Etty lebte mit Freunden zusammen in einer Wohnung in Amsterdam, hier bewohnte sie ein kleines Zimmer, in dem sie ihr Tagebuch schrieb. Im Jahr 1942 erhielt Etty eine Stellung beim Judenrat, einer von den deutschen Besatzern eingerichteten Verwaltungsstelle für die jüdische Bevölkerung der Niederlande. Bereits nach zwei Wochen kündigte Etty Hillesum diese von ihr als „Hölle“ empfundene Tätigkeit, die eine Beihilfe bei der Judenvernichtung gleichkam. Im August 1942 wurde sie in das Durchgangslager Westerbrock deportiert. Ihr Tagebuch konnte sie bei der befreundeten Familie Smelik in Sicherheit bringen; unterzutauchen lehnte sie allerdings ab. Ihre Mission war es, den Menschen zu helfen, ihnen auch in der Aussichtslosigkeit ihrer Situation beizustehen, da zu sein, einfach da zu sein für sie. Der letzte Satz ihres Tagebuches lautet: Ich möchte ein Pflaster sein auf vielen Wunden. Am 7. September 1943 wurde sie von Westerbork nach Ausschwitz abtransportiert, wo sie ihren Vater und andere Verwandte wiedersah. Am 30. November 1943 wurde Etty Hillesum dort ermordet.

Im Jahr 1981 erschien ihr Tagebuch unter dem Titel Het verstoorde leven („Das zerstörte Leben“). Später wurden auch ihre zahlreichen Briefe, u. a. aus der Zeit in Westerbork, veröffentlicht. Es war der ausdrückliche Wunsch Etty Hillesums, dass ihre Schriften veröffentlicht würden.

Etty Hillesum: Das denkende Herz der Baracke, 1983