Selma Meerbaum-Eisinger

(1924-1942)

meerbaum-eisingerSelma Merbaum war eine junge deutschsprachige Dichterin aus Czernowitz in der Bukowina (früher Rumänien, heute westliche Ukraine), die als verfolgte Jüdin achtzehnjährig im Zwangsarbeitslager Michailowka in der Ukraine starb. Ihr Werk wird mittlerweile zur Weltliteratur gezählt.

Als Selma neun Monate alt war, starb ihr Vater Max Merbaum. Ihre Mutter heiratete drei Jahre später Leo Eisinger. Selma besuchte bis 1940 das jüdische Mädchenlyzeum. Schon früh begann sie mit der Lektüre jener Autoren, die großen Einfluss auf ihr eigenes Werk ausüben sollten: Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke, Klabund, Paul Verlaine und Rabindranath Tagore. Eigene Gedichte sind von Selma ab 1939 erhalten. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wurden Selma, ihre Mutter und ihr Stiefvater im Oktober 1941 gezwungen, im Ghetto der Stadt zu leben. Die Familie blieb bis Juni 1942 von der Deportation verschont, wurde dann aber wie tausend andere in das Arbeitslager Michailowka gebracht. Die Häftlinge dort wurden gezwungen, Steine für den Straßenbau zu hacken.

Im Lager und von Arbeit und Krankheit entkräftet schrieb Selma weiter ihre Gedichte. Insgesamt umfasst ihr Werk 58 Gedichte, die sie sorgfältig mit Füller auf Einzelseiten geschrieben und zu einem Album gebunden hatte. Sie widmete es ihrem Freund und Geliebten Leiser Fichmann aus der zionistischen Jugendgruppe Hashomer Hazair. Auf dem Weg in die Deportation konnte sie das Album einem Bekannten zustecken. Doch Leiser gab es zurück, als er sich zur Flucht nach Palästina entschloss. Das Schiff wurde torpediert, nur fünf Passagiere überlebten – Leiser nicht. Doch Selmas Gedichte wurden von einer Freundin durch Europa bis nach Israel getragen. Selmas Lehrer von der Jiddischen Schule, Hersch Segal, veröffentlichte sie 1976 als Privatdruck.

Die eigentliche Entdeckung Selma Merbaums erfolgte durch die Stern-Reportage des Journalisten und Exil-Forschers Jürgen Serke Jürgen Serke, welcher von der Dichterin Hilde Domin auf die Gedichte aufmerksam gemacht worden war. Serke veröffentlichte die Gedichte unter dem Titel Ich bin in Sehnsucht eingehüllt. Bei Selma Merbaums überlieferten Gedichten handelt es sich um Liebes- und Naturlyrik, die von einer melancholischen Grundstimmung geprägt sind. Hilde Domin gestand einmal, die Gedichte Selmas die „so rein, so schön, so hell und so bedroht seien, weinend vor Aufregung“ gelesen zu haben.
Selma starb achtzehnjährig an Fleckfieber. Ihre Mutter berichtete, dass sie bis zum letzten Atemzug leise gesummt und gesungen hätte.

Selma Meerbaum-Eisinger, Jürgen Serke (Hrsg.): Ich bin in Sehnsucht eingehüllt: Gedichte. Hoffmann und Campe, Hamburg 2005

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Selma Meerbaum-Eisinger (rechts) mit ihrer Freundin Else Keren im Sommer 1940 in Czernowitz