Ich bin ein Pilger

(Text: Erich Mühsam/ Musik: Dieter Halbach)

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.
Schütze mich, stütze mich, fasss meine hand an, hilf mir lieben

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Schütze mich, stütze mich, fass meine hand an, hilf mir lieben

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt- und fortschwemmt- weint- und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.

Der Anarchist, Bohemien und Dichter Erich Mühsam war wie ein Exilant im eigenen Land. Viele Jahre hat er in deutschen Gefängnissen verbracht. Sein Gedicht „Ich bin ein Pilger“ verdeutlicht seine nomadische Lebensweise, seine rastlose Sehnsucht. Er schreibt: „Manchmal fühl’ ich ein Ahnen,ein Sehnen, vor dem mir bangt…Das zieht und zerrt, und ich weiß nicht wohin, weiß nicht, wonach meine Sehnsucht verlangt. Ich weiß nur dies: Es ist Liebe darin!“ In der Nacht des Reichstagsbrandes wird er wieder verhaftet und am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet. Die Meldung in der nationalsozialistischen Presse lautete: „Der Jude Erich Mühsam hat sich in der Schutzhaft erhängt“.